Postmoderne Waschmaschinen



"Auto", das erste Wort, das Kinder lernen, sagt viel über die symbolische Bedeutung dieses Alltagsgegenstandes aus. Wünschenswert unter kapitalistischen Gesichtspunkten erscheint angesichts der Kaufzurückhaltung vieler Menschen bei anderen Konsumgütern, diese in ähnlicher Weise mit symbolischen Bedeutungen aufzuladen.

Männer, die mit Begeisterung über die neueste Waschmaschinengeneration debattieren.

Zweifelsohne könnten dann Waschmaschinen zum drei- oder vierfachen ihres jetzigen Preises verkauft werden. Es würde auch ganz neue Typen von Waschmaschinen geben - die Überschallmaschine - und natürlich diverse Anbauteile für das persönliche Design - Waschmaschinen mit Spoiler halt. Neue Absatzmärkte, neue Industrien, neue Arbeitsplätze, Glück und Wohlstand.
Dies wäre dann die postmoderne Waschmaschine, die ihren Wert nicht primär aus der Funktion des Waschens bezöge, sondern aus ihrer symbolischen Bedeutung als virtuelles Artefakt, als Simulacrum, ausgedrückt in den Worten von Jean Baudrillard, einem französischem Philosophen.

Das Auto ist insofern das erste postmoderne industrielle Produkt der Neuzeit. Der wahre Wert, der Warenwert, entsteht rein virtuell - ich könnte keine objektiven Argumente für den Kauf der einen oder anderen Marke angeben.
Wie kommt es aber zu dieser Bedeutung?
Entscheidend ist hier ein Ablauf, den die frühkindliche Psychoanalytische Theorie beschreibt. Das Kleinkind internalisiert Dinge, die es fürchtet und als machtvoll erlebt, es will diese Dinge im gewissen Sinn aufessen, diese Dinge sein bzw. selbst zu diesen Dingen werden. So wird die Mutter in Gedanken verschlungen und dies auch schon mal real versucht.
Mütter sind aber real nur noch begrenzt bedrohlich und töten und zerstückeln ihre Kinder nur in Ausnahmefällen.
Wirklich bedrohlich ist für das Kind in der Moderne nur der Autoverkehr. Das Auto droht mit der Entfernung von Gliedmaßen, dem Zerquetschen, dem Zerstückeln und dem Tod. Autos sind auch das, vor dem Kinder gewarnt werden, und das sehr viel eindringlicher als vor dem schwarzen Mann. Autos werden so zum Symbol der Macht zu töten und zu verletzen, zum Symbol der phallischen Omnipotenz. Die Antwort des Kindes auf diese Bedrohung lautet dann auch, ganz den klassischen psychoanalytischen Ablauf der Identifikation mit dem bedrohlichen machtvollem Gegenstand nachvollziehend, wie zu erwarten, "Bobbycar". Das Kind, das AutobesitzerIn wird, das selbst zum Auto wird.

Es ist also gerade die reale tödliche und verletzende Potenz des Automobils, die seinen Fortbestand sichert. All die Kinder, die unter der Bedrohung des Autos aufgewachsen sind, werden, verläuft die psychische Entwicklung normal, hinterher zu guten KundInnen der Autoindustrie.
Um so größer und tödlicher das Gerät, das sie kaufen, ist, um so sicherer und geborgener werden sie sich ihr Leben lang fühlen und so, durch die Bedrohung der nachfolgen Generation, für immer neue AutokundInnen sorgen. Eine neue Generation von Kindern, die wiederum den Bedrohungsgegenstand Auto durch Identifikation mit ihm psychisch verarbeiten muß.
Natürlich darf die Bedrohung nicht in allen Fällen wirklich werden, dann blieben keine KäuferInnen übrig, aber sie muß doch als real empfunden werden.

Wie ließe sich dies nun auf Waschmaschinen und andere Konsumgüter übertragen?

Die Antwort ist, die postmoderne Waschmaschine muß eine mordende Waschmaschine sein. Eine Waschmaschine, die durch die Wohnung poltert und Hände und andere Körperteile spielender Kleinkinder zerquetscht, falls sie sich nicht rechtzeitig auf das Hochbett flüchten. Für die moderne Technik dürfte die Konstruktion solcher durch die Wohnung holpernder Waschmaschinen kein wirkliches Problem sein, für die Zielerkennung könnten sie mit Bewegungssensoren versehen sein.
Die Kinder würden dann, ähnlich wie beim Auto, die Waschmaschine zum symbolischen Objekt erheben. Der Bobbycar würde Konkurrenz durch den Jimmywasher bekommen. Und Kinder würden nichts lieber tun als die Waschmaschinen zu bedienen. Die Herrin bzw. der Herr der Waschmaschin wäre ihre HeldIn.

Neue Absatzmärkte für Waschmaschinen wären auf Generationen hinaus gesichert, denn die Kinder würden, sobald sie erwachsen sind, sich selbst eine Waschmaschine als Symbol der Macht anschaffen - natürlich für ein Vielfaches des heutigen Preises -.
Außerdem würde die Arbeit im Haushalt symbolisch massiv aufgewertet.
Bei anderen Haushaltsgeräten könnten ähnliche Innovationen entwickelt werden.
Nicht nur die Marktausweitung auf dem Konsumgütermarkt wäre gesichert, auch dem Staat und dem Versicherungswesen würden neue Aufgaben der Verregelung zufallen. Waschschulen zum Erwerb von Waschmaschinenführerscheinen würden auch für kleine Selbstständige eine neue Marktnische darstellen.

Aus kapitalistischer Sicht ist dies also eine durch und durch wünschenswerte Innovation.

Ich muß aber wieder einmal zugeben, daß ich zu sehr eine verrückte Utopistin bin und immer noch an einer Alternative zum Kapitalismus festhalte.
Als Anarchistin, die ich bin, bin ich mir sicher, es gibt eine Alternative zu Bobbycar und Jimmywasher.
Nur zur Revolution gibt es keine Alternative.
Auch wenn ich heute lieber ausschlafe und morgen damit anfange.

Bis dann, auf den Barrikaden - alles Liebe!


Ada - Hannover/Berlin, 2003 bis 2010 -


Fin











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Und noch ein kurzer Text; Auto-Mann & Autoerotik

























Zuletzt aktualisiert 30.01.2021



Auto, Mann. Ein Text zur Autofaszination von Kindern, Bobbycars und postmodernen Waschmaschinen Straßenverkehr Kinder Verkehrstote - zu den Themen: Autos, Kinder, Ich, Angst, Bobbycar, Fetisch, Männlichkeit, Potenz


























Auto-Mann & Autoerotik

Die Verbindung von Auto, Autofaszination und Männlichkeit ist trotz aller Änderungen immer noch signifikant. Der Pirelli-Kalender, die Formel 1 oder Autosalons haben immer noch den Charme pubertierender Herrenabende. Autos werden zu sexualisierten Fetischen, zum Ersatzschwanz 'des Mannes'.
Und doch würden dies die meisten Männer heute von sich weisen und ihre Entscheidung für ein spezifisches Auto primär funktionell begründen. Dies steht aber im klaren Widerspruch zur irrationalen Entwicklung hin zu immer größeren und leistungsstärkeren Autos, bei gleichzeitigem Absinken der Familiengröße und Steigerungen des Benzinpreises. Die Kaufentscheidung 'eines Mannes' für eine spezifisches Auto wird offensichtlich nicht rational bestimmt, ansonsten müßten kleine, spritsparende und wendige Fahrzeuge primär nachgefragt werden.
Daraus ergeben sich mehrere Schlussfolgerungen.

- Erstens 'ein Mann' handelt häufig irrational, daß Handeln 'eines Mannes' ist häufig von Potenz- und Protzgebahren bestimmt.

- Autos sind nicht deshalb so verbreitet, weil sie praktisch sind, sondern, Autos sind heute ein zentrales Phallussymbol.

- Öffentliche Verkehrsmittel sind schon deshalb nicht konkurrenzfähig mit dem Auto, weil sie 'den Mann' nicht entsprechend beglücken können.

- die Durchsetzung anderer Verkehrsmittel gegenüber dem Auto setzt eine grundsätzliche Infragestellung dessen voraus was 'einen Mann' heute ausmacht. Im gewissen Sinn ist die Abschaffung 'des Mannes' Voraussetzung für die Abschaffung des Autos.

Dabei wird hier unter 'Mann' in Anführungsstrichen das soziale Konstrukt 'Mann' begriffen und keine biologische Gegebenheit. Bisher wurden auch noch keine versteinerten Spielzeugautos bei Ausgrabungen entdeckt.